Friday, October 17, 2008

Kirchhorst, 4. April 1939

Schlecht gearbeitet, was schon an der Art, in der ich geträumt und geschlafen hatte, vorauszusehen war. Obwohl nicht jeden Tag Fangtag, so ist doch ein jeder Jagdtag für mich - das heisst, ich bringe den Vormittag hin, indem ich Sätze bilde und verwerfe, wie ein Töpfer, der sein Geschirr zerschlägt. Ich nehme diesen Zustand sehr bald wahr und könnte eigentlich spazierengehen. Da ich trotzdem bleibe, möchte ich annehmen, dass auch diese Anstrengung eine Bedeutung verbrigt. Man tut wenig umsonst.

Am Nachmittag Beete gegraben, Radieschen und Kerbel gesät. Gelesen: Thornton Wilder, "Die Brücke von San Luis Rey". Der Autor führt an einer Stelle die Kennzeichen des echten Abenteuers an - darunter die Gabe, mit Fremden ins Gespräch zu kommen. Das dürfte in der Tat ein Merkmal ersten Ranges sein. Wenn wir unsere Bekannten mustern, werden wir nur wenige finden, deren Bekanntschaft uns nicht durch einen Dritten vermittelt worden ist. Menschen, mit denen wir direkt in Beziehung gerieten, begegneten wir meist schon unter ungewöhnlichen Umständen - auf Reisen, während eines Festes oder bei einem Unglücksfall. Auch im erotischen Bereich regiert die direkte Art, etwa bei der Ansprache oder bei der Aufforderung zum Tanz. Es ist ein abenteuerlicher Zug, wenn ein Mann in einem dunklen Raume, etwa im Theater, nach einer unbekannten Frau die Hand ausstreckt. Übrigens geschieht dies öfter als, als man gemeinhin denkt. So war Edmond ein Kenner dieser Art, über deren Taktik er mir einmal einen langen Vortrag hielt. Dabei fällt mir ein, dass ich auch mit ihm unmittelbar bekannt wurde; er sprach mich in der Untergrundbahn an. In alle menschlichen Kreise treten wir fast nur durch Einführung, wie es geselligen Wesen entspricht. Der Abenteurer, der ungesellig ist, hilft sich durch eigenes Talent. Auch die Autorschaft lässt sich als geistiges Abenteuer betrachten, womit es zusammenhängt, dass jeder Autor über eine Zahl von Bekannten verfügt, die er durch direkte Ansprache gewann.

Es scheint, dass die unmittelbare Bekanntschaft als eine höhere Art der Anknüpfung betrachtet wird. So empfinden Liebesleute den Zufall, der sie zusammenführte, als ausserordentlich. Auch im Romanen wird ein Ereignis, das zwei Freunde zueinaderführt, gern als Einleitung verwandt.

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