Saturday, October 25, 2008

Kirchhorst, 29. April 1939


Vorm Einschlafen dachte ich lange über die blaue Farbe nach, die ich gestern in der Schale erblickt hatte. Ich wollte ihr einen Namen geben, und erst an der Schwierigkeit, auch nur annähernd einen Vergleich zu finden, erkannte ich die Art des Einblickes. Ich hatte jenseits der Farbenwelt geweilt.

Im Taum hörte ich einem Gespräch von Bauern über die Landschaft zu. Einer sagte: "Im Sommer schall dat Moor gegrüelt weren" - das heisst gegreuelt, worunter er, wie ich sogleich begriff, das Aufreissen mit einer scharfen Pflugschar bis zum Grunde verstand.

Um vier erwachte ich und hörte bis um halb sechs die Schläge der Kirchenuhr. Indem wir so zu wachen glauben, ist es doch meist ein heller Schlummer, in dem wir liegen - wir scheren dann den Schlaf.

Aus Paris, von Hercule gesandt, die letzte Nummer des "Crapouillot": "Les Bas-Fonds de Paris" mit Bildern und Schilderungen aus den Lupanaren und einem kurzen Wörterbuch des Argot. In diesem finde ich für "weinen": chialer, was eigentlich besagen will: "chier les yeux". Ich notierte das als Beispiel dafür, bis zu welchem Grade sich die Sprache mit Kot anfüllen kann. Ein Wort hat oft so viele Synonyma, wie es Stufen der Gesellschaft gibt.

Abends Friedrich Georg vom Autobus geholt.

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