Wednesday, November 5, 2008

Kirchhorst, 9. August 1939


Für etliche Tage war Bogo hier zu Besuch, immer noch von der alten geistigen Sicherheit, die mich oft an Manie gemahnt. Auffallend ist die Verbindung des scharfen und stets wachen Intellekts mit der sonderbaren, an Punkten das Skurrile streifenden Person. In dieser Hinsicht trägt er hoffmanneske Züge, in anderem erinnert er an begabte Kantianer, wie man sie vor hundert Jahren sah. Als Schlesier ist er Bewohner einer der mir unbekannteren Provinzen, dann aber lebt gänzlich Fremdes, Tamurlanisches in ihm, wie es auch physiognomisch sichtbar wird. Daher wohl auch das Denken in weiten Räumen und Züge abstrakter Grausamkeit. Daneben besitzt er Gemütlichkeit, und ich entsinne mich sehr angenehmer Nächte, die wir beim Punsch zubrachten. Einmal, als ich ihn in seiner Berliner Wohnung aufsuchte, fand ich ihn in seiner Bibliothek in einer grosse Karte des Reiches, die er entworfen hatte, vertieft. Vorm Fenster hatte er Futte für die Vögel ausgestreut; von dort aus führten kunstvolle Schnüre von Sämereien an den Bücherfächern entlang und lockten die Finken und die Meisen in die Tiefe des Raumes, so dass er wie ein einer Voliere sass. Zwei Dinge sind an ihm hoch zu schätzen - einmal der unbestechliche Sinn für geistige Rangordnung und dann die theologische Kapazität.

Inzwischen setze ich die Reinschrift der "Marmorklippen" fort. Das Richten der Sätze - als ob man sie an eine Schiene anschlüge. Ich entschloss mich heute, in machen Fällen von der Regel abzuweichen, nach welcher bei einer Mehrzahl von Subjekten auch das Verbum im Plural steht. Das wird sich erübrigen, wo die Subjekte sich als ein Begriff betrachten lassen und wo man sie gleichsam in Klammern setzen kann. (Salz und Brot) macht Wangen rot. Es handelt sich dabei um eine der Grenzstreitigkeiten zwischen dem logischen und dem grammatischen Gehalt der Sprache, deren es eine ganze Reihe gibt. Ähnlich verfährt man bei einer Mehrzahl von Subjekten, durch deren Nennung man eine Einheit rhetorisch steigern will. "Der Mann, der Gatte, der Vater ist hier gemeint!" Hier gleitet der Charakter des Subjekts durch die Reihe der Namen und überträgt dem letzten das Zepter, das den Satz regiert. Man könnte auch an Billardkugeln denken, bei denen sich die Kraft des Stosses von einer auf die andere überträgt. Und ohne Zweifel steigt eine der Wurzeln der Grammatik auch aus der Mechanik auf.

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