Sunday, November 30, 2008

Kirchhorst, 18. Januar 1940


Seit gestern wieder in Kirchhorst, wo Perpetua mich nach allen Regeln der Hausfrauenkunst verwöhnt. Die Küche ist gut versehen, und zum Überfluss trafen aus dem "Hecht" von Überlingen noch Weinbergschnecken ein, zur Erinnerung an die Schneckenvespern, die ich dort mit Friedrich Georg und Mezger hielt und deren Abschluss auf den Aschermittwoch fiel. Sie sind noch auf die Art des guten Feuchti zubereitet, den in der Fasnet vor zwei Jahren, als er im Eunuchenkostüm vor den Sektlauben Wache hielt, ein Schlag zu Boden streckte und uns so eines Meisters beraubte, die noch wissen, was Kochen heisst. Wie die Schwaben alles zierlich zu verkleinern wissen, so sagte er zu seiner Schwester, als sie ihn fand, dass ihn ein "Schlägle" getroffen habe - das war sein Abschied; doch lebt sein Geist noch in Rezepten fort.

Der Frost ist wieder angestiegen, so dass ich ganz häuslich bleibe, in die Aufzeichnungen der Goncourts über Gavarni, in Hebels "Schatzkästlein" und die Geschichte des japanischen Prinzen Genji vertieft. Auch war ich schon ein wenig in der Sammlung tätig und hatte dabei den Einfall, später die Gattung Sternocera zu beschreiben, sowohl nach den Regeln der Systematik als auch nach Art des Juweliers. Prunkstücke der Natur.

Die Wasserleitung ist schon seit Tagen eingefroren - nun zieht auch die Pumpe in der Waschküche nicht mehr. Um sieben Uhr abends zeigte das Thermometer, das ich im Badezimmerfenster aufgestellt hatte, schon zwanzig Grad. Es scheint, dass das Jahr auch rein elementarisch ausserordentlich beginnt.

(Bild: Edmond & Jules de Goncourt, portraitiert von Paul Gavarni)

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