Saturday, November 15, 2008

Blankenburg, 26. September 1939


Die Arbeitssumme liegt gleich einer Decke auf dem Land. Als ich heute am Harz entlang zum Generalkommando fuhr, sah ich eine schlanke Frau in blauen Hosen und rotem Kopftuch auf einem Rübenacker bei der Miete stehen. Sie winkte herüber, indem sie die Hand erhob, und diese Geste erschien mir, als ob ich in Meerestiefen unter ungeheurem Druck von ferne einen Kameraden sähe, der mir den Weg nach oben zum Liche wies. So hört man, im oft dämonischen Konzert der Stürme, den Ruf des Vaterlandes und kann nicht fehlen, wenn man ihm gehorcht.

Wieder wird mir bewusst, wie sehr der Harz ein magisches Gebirge ist. Und auch die Hügellinien, die ihn randen, sind geheimnissvoll. Im Inneren ruhen die alten Heiligtümer und Opferstätten, umschlossen vom Gürtel der Kastelle auf den Vorgebirgen, und endlich folgen, gewissermassen auskristallisiert, die Fürstensitze und hohen Dome am Rande, wo die Ebene beginnt. Man müsste Bestände dieser Art indessen mit einem Blicke und zeitlos sehen. Die Urkraft liegt im Gebirge selbst als das massive Gold. Die Menschensiedlung tritt hinzu, und ihren Bauten teilt sich ein wenig von dem geheimen Glanze mit. Der reichste Kreis von Städten, Schlössern, Domen ist doch nur ein Gleichnis des Überflusses und der Unerschöpflichkeit der Erde selbst. So sind die Steine, die man zum Bau behaut, nur Münze aus dem Schatz der Barren; die wird auf das Gebot der Fürsten geprägt, doch schmilzt die Zeit sie wieder ein und führt sie formlos zum Überfluss zurück, in dem der Reichtum der Erde ruht.

(Bild: "Ansichetn vom Harz", Neuruppiner Bilderbogen, kolorierte Lithographie, 1852)

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