Friday, November 7, 2008

Celle, 1. September 1939


Am Morgen beim Frühstück fragte mich der Kellner mit bedeutsamem Gesicht, ob ich die Tagesnachrichten gehört hätte. Danach sind wir in Polen einmarschiert. Tagsüber nahm ich im Hin und Her der Geschäfte die weiteren Neuigkeiten auf, die den Ausbruch des Krieges, auch mit Frankreich und England, im einzelnen bestätigten. Am Abend knappe Meldungen, Verfügungen, Verdunkelung der Stadt.

Um zehn Uhr ging ich an die Schlossbrücke, zu einer Verabredung. Die alte Heidestadt war finster, und die Menschen bewegten sich wie zauberwesen in einem Minimum an Licht. Das Schloss erhob sich, von einem matten blauen Schimmer überrieselt, wie der alte Palast in einer Märchenstadt. Wie schwerelose Tänzer glitten Menschen auf Rädern durch die Dunkelheit. Und hin und wieder klatschte ein schwerer Karpfen aus dem Graben, der den Schlosspark säumt. Gleich diesen Tieren schnellt uns die Lust zuweilen in ein fremdes, leichteres Element.

Ich kam an einer Bank vorbei, auf der zwei alte Damen sassen; die eine sagte: "Du musst bedenken, dass bei dem allen auch Fügung ist."

Dann im Café. Man tritt in Licht, Musik und Gläserklirren wie in geheime Feste und Albenhöhlen ein. Dazu dann wieder Rundfunkstimmen, die Bombenabwürfe melden und den Menschen drohen.

(Bild: Celler Schloss, Celle, Niedersachsen)

No comments: