Friday, November 28, 2008

Flehingen, 14. Januar 1940

Ein kalter Sonntag, den ich mit einer Grippe im Bette zubringe. Gelesen: „Der Schild des Herakles“, den man dem Hesiod zuschreibt. Die Sänge von den Schilden stellen Miniaturen des Universums dar, wie es im Sinne der Alten lebt. Der Blick fällt gleichsam aus Adlerhöhe auf die Schöpfung, die er auf das winzigste verkleinert und doch in ungemeiner Schärfe sieht. Das erklärt die Mannigfaltigkeit auf engstem Raume, die göttlichen Schmiedekünsten zugeschrieben wird. Entsprechend nehmen der Ausdruck und die Art des Vortrags metallischen Charakter an; die Sprache schildert die Schöpfung wie in Erz getrieben, in höchster Dichte und Deutlichkeit.

Sodann die Bibel in der Übersetzung von Henne, die mein Quartierwirt mir geliehen hat. Seltsam, dass die Zeit des Moses älter als die von Jakob und Joseph wirkt – was sicher auf der versteinerten Wirkung des Gesetzes beruht. Die Sonderung durch das Gesetz, möglich wohl nur kraft ägyptischer Weihen und Kenntnis uralter Mumifizierungskünste, verhärtet das Leben, das zur Ehernen Schlange wird. Bei den Geschichten um Joseph treten alle Verhältnisse des Lebens dagegen in seiner vollen Ausdehnung auf das deutlichste hervor. Das ist der Sinn der Urgeschichte überhaupt: das Leben in seiner zeitlosen Bedeutung darzustellen, während es durch die Geschichte im zeitlichen Ablauf geschildert wird. Urgeschichte ist daher immer die Geschichte, die uns am nächsten liegt, Geschichte des Menschen an sich.

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