Friday, November 28, 2008

Wössingen, 10. Januar 1940

In aller Frühe Aufbruch über Durlach mit seinen rötlich-glänzenden Weinbergen nach Wössingen, dort im evangelischen Pfarrhaus einquartiert. Während des Marsches herrschte eine trockene Kälte, wie ich mir ihrer in solcher Schärfe nur noch aus dem harten Winter von 1928 auf 1929 entsinnen kann. An der Kolonne entlanggehend, sah ich zum ersten Mal ein erfrierendes Ohr – die Muschel war, als ob ihr ein Ring von Frischfleisch angeheftet wäre, weiss gesäumt. Wie es sich für den aufmerksamen Chef gehört, war ich der erste, der den Schaden entdeckte, eher als die Nebenmänner und auch als der Betroffene, den ich gleich mit dem Kraftrad zur Behandlung fahren liess.

Abends sass ich mit dem Oberstleutnant Vogler noch ein Weilchen bei der Pfarrerin und ihrer Tochter, während der Pfarrer auf Reisen war. Doch spürte man seinen Einfluss als präsente Macht im ganzen Haus. Es gibt zwei Arten der Disziplin – die eine, die von aussen nach innen wie eine Beize wirkt und den Menschen härtet, und eine andere, die vom Kerne wie ein Licht nach aussen strahlt und ihn, ohne ihn der Milde zu berauben, doch furchtlos macht. Zur ersten brauchen wir immer Meister, während die andere oft wie ein Samenkorn in uns erwächst.

Die Kirchenbücher, die seit 1690 erhalten sind. In einem von ihnen steht als Kuriosum, dass eine Magd, nachdem die über vierzig Jahr lang Röcke getragen hatte, eine andere schwängerte, sodann als Mann ihr Leben weiterführte und alt wurde.

Amüsanter Bericht über einen Vorgänger, der dort als eine Art von Falstaff im Winterquartier lag. Das ist ein Typus, wie ihn die Kriege immer wieder erzeugen werden, und immer bleibt es die gleiche Erscheinungswelt, die ihn umgibt: verschlagene und räuberische Diener, fette Gänse, lockere Mädchen, Zechgelage und Kartenspiel.

No comments: