Tuesday, November 25, 2008

Baden-Oos, 8. Januar 1940

Um fünf Uhr wurden wir abgelöst und marschierten im Dunkel durch Felder und Wälder nach Baden-Oos. Beim Abmarsch Magenschmerzen, die sich dann besserten. Als Infantrist verfügt man über eine der besten Medizinen: über den langen Marsch.

Die Greffern-Stellung mit ihren offiziellen und geheimen Sorgen fällt nun in die Vergangenheit als Abschnitt, an den man sich erinnern wird. Im reinen Überstehen liegt heute schon Verdienst. In diesem Bunkergürtel fiel kaum ein Schuss, ausser auf Flieger und dann auf die zahlreichen Fasanan und Hasen, die in den schon hoch vom Gestrüpp durchflochtenen Drahtverhauen ihre Schlupfwinkel aufsuchten. Doch herrschte ein gewisser Komment. So wurde der Feldweibel Köhler, als er einen Baum ersteigen wollte, mit einer Feuergarbe bedacht. Ebenso gab es im Nachbarabschnitt Verwundete, weil man dort eine Strohpuppe mit der Maske von Chamberlain vorgezeigt hatte. In der Armee übersteigt die Zahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten die der durch feindliches Feuer Gefallenen um das Vielfache. Zu den ersten Toten gehörte übrigens ein Feldwebel der Propagandakompanie, der am Lautsprecher gefallen ist.

Um Mitternacht bezogen wir eine Kaserne in Baden-Oos, in der ich auf dem Feldbett der Kälte wegen angezogen schlief. Wie uns im Traume oft Gestalten reiner und deutlicher erscheinen als bei Tage, so stellte sich mir hier der Typus der Zudringlichen dar, und zwar in einem kleinen Gemüseladen, in dem ich eine gebratene Ente erwarb. Neben der Verkäuferin standen noch zwei, drei alte Weiber, von denen das eine den Vogel unbescheiden und obwohl ich es mir oft verbat, betastete. Es tat das, scheinbar, um mir Ratschläge zu erteilen, wie so ein Leckerbissen zuzubereiten und aufzutischen sei - in Wirklichkeit jedoch nur, um sich dann die Finger abzuschlecken, und es beraubte den Braten so allmählich der braunen, leckeren Glasur. Zuletzt fuhr dieses Wesen, das hager, beweglich und mit grossen spähenden Augen wie ein Fliege ausgestattet war, dem Vogel noch mit gekrümmtem Zeigefinger in die Hinteröffnung und holte ein Stückchen Eingeweide zum Schmause daraus hervor. Dann huschte es schnell hinaus und liess die Ente abgegriffen und unansehlich auf dem Ladentisch zurück. Erst jetzt begannen die anderen Weiber auf die Verschwundene zu schelten, woraus ich schloss, dass sie mit bösen Kräften versehen war. So war mir nicht nur das Mahl verdorben, sondern ich wurde auch von der Ahnung, dass die Begegnung unheilvolle Wirkung haben würde, noch bedrückt.

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