Saturday, October 18, 2008

Kirchhorst, 7. April 1939

Bei der Arbeit fiel mir auf, dass ich im Aussparen des unbetonten E vielleicht zu peinlich bin. Es ist allerdings ein Unterschied für den Satz, ob es in ihm heisst "erfreuen" oder "erfreun". Indessen glaube ich, dass der Leser, wie ich es auch an mir beobachte, das unbetonte E der Endungen je nach Bedarf liest oder unterschlägt. An jeder guten Prosa wirkt der Leser von sich aus mit. Insbesondere scheint mir dort Vorsicht geboten, wo die Aussparung dieses Vokals dem Wort einen ungewöhnlichen oder das Gedicht streifenden Charakter verleiht. Dasselbe gilt für die Umstellung von Wörtern innerhalb des Satzes aus Gründen der Gewichtsverteilung - auch hier steht dem Gedicht eine grössere Freiheit als der Prosa zu. Was in der Prosa an rhytmischer Arbeit geleistet wird, darf keine Spur hinterlassen; und die Anstrengung ist um so lohnender, je weniger sie wahrgenommen wird. Das entspricht einem allgemeinen Gestetz, nach dem die ordnende Hand als letztes die sichtbaren Merkmale iherer Arbeit verwischt.

Ferner glaube ich, dass ich den allzu häufigen Gebrauch des Wörtchens jenes vermeiden muss. "Seine Augen glänzten in jenem Schimmer, den der Gebrauch der Belladonna verleiht." Die eigenartige Wirkung dieses Pronomens liegt darin, dass es das Einverständnis oder die Kennerschaft des Lesers in Anspuch nimmt. Das kann gerade bei einer ungewöhnlichen Feststellung oder einem raren Fakt von starker Wirkung sein. Es gilt hier aber, wie bei jeder Schmeichelei, der Grundsatzt der Sparsamkeit.

Am Vormittag in der kleinen Kirche, deren Friedhof an meinen Garten grenzt. Sie ist sehr schön. Karfreitagspredigt über Christus und die beiden Schächer am Kreuz. Der sakrale Ton liegt auf der Predigt wie eine dünne, abgeblätterte Folie. Bei den Protestanten ist das noch hörbarer als im Südern, wo man ja auch "allein auf den Glauben" nicht angewiesen ist. In Norwegen hatte ich den Eindruck von Darbietungen, bei denen man sich an imaginären Seilen in die Höhe zog.

Nachmittags Besuch beim neuen Nachbarn; Kaffee und Kuchen, Rundgang durch Hof und Haus. Dann mit Perpetua und Louise die Bibliothek geordnet; leider hat der Umzug den Büchern übel mitgespielt. Über alle Jahrhunderte hinweg halten sich doch nur die guten alten Einbände von Pergament.

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