Tuesday, October 28, 2008

Kirchhorst, 17. Mai 1939


Seit ich in der Mansarde wohne, bekomme ich Friedrich Georg oft erst am Mittag zu sehen. Heute sprachen wir nach dem Essen über den "style imagé", den Marmontel verwirft. Von dem, was Friedrich Georg dazu sagte, fand ich besonders gut, dass in der Sprache nicht nur die Bilderschrift und jene der Begriffe sich unterscheiden liessen - ein Drittes sei der inspirierte Stil.

Dann über Breughel und den "Verlorenen Sohn" von Bosch. Dies Bild, das wir bei der Versteigerung vor Jahren betrachteten, hat auf uns beide stark gewirkt. Der Sohn mit weissen Haaren, an Gut und Leib und Seele aufs letzte abgeschabt. Man sieht, dass er nie mehr zu Hause ankommen wird, und hierin übertrifft der Maler an Härte den Bibeltext. Im Hintergrund die Kaschemme Welt, als wüste Trug- und Gaukelbude dargestellt, vor der ein Säufer pisst, während eine Hure die Brüste aus dem Fenster hängen lässt. Längst ist vergessen, der hierin Erbteil, Ehre, Gesundheit liess. Die Schädigung ging bis zum Kern. Besonders schrecklich ist, dass auf diesem Bilde das ganze verfehlte Leben sich in die Perspektive eines Augenblicks zusammendrängt. In solcher Erfassung wird die Malerei von keiner anderen Kunst erreicht.

Nach Sonnenuntergang Tomaten eingesetzt. Die Pflanzen gehen ganz ohne Kränkeln an, wenn man die Ballen in einen Brei aus Wasser, gedüngtem Torf und Erde senkt. Dies ist ein Rezept, das mir der Makler Belz aus Überlingen empfolen hat. So haben wir in unserer Lebensschule viele Lehrer, und manchem verdanken wir nur einen isolierten Fakt.

(Bild: "Der verlorene Sohn"; auch "Der Landstreicher", Hieronymus Bosch, 1450)

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