Thursday, December 11, 2008

Schilfhütte, 14. Februar 1940


Nachts achtzehn Grad. Obwohl ich angekleidet und mit dem Baschlik um die Ohren unter den Decken lag, stand ich fröstelnd um vier Uhr auf und zündete Feuer in meiner Hütte an.

Zuvor war ich in einem herrlichen Geschäft gewesen, in dem es, wie in manchen Läden an der Chiaja von Neapel, Meereskostbarkeiten wie Schildpatt, Korallen und Perlmutter zu kaufen gab. Ich war in die Paläontologische Abteilung eingetreten, in der Kristallvitrinen erlesene Versteinerungen bargen, Kunstwerke der Natur – an ihnen hatten die Äonen ziseliert. Es gab wundersame Stücke – so lagen auf blauem Sammet Trilobiten aus purem Golde neben Fischen aus grünen und violetten Erzen, und hochgerippte Muscheln strahlten im Irisglanz. In meiner Nähe stand Fürst Pignatelli und suchte rote Marmorfliesen für sein Stadthaus aus. Er wählte sie in der Farbe, in der sie den Sockel der Bronzesäulen von Bernini in der Peterskirche schmücken, und in jede von ihnen sollte das quarzene Geäder einer Crinoideenranke eingeschlossen sein.

Indes er seine Fliesen gleich einem Domino zusammenstellte, wog ich einen schmalen Loligo in den Händen, der einem Marmorpfeil in Teerosenfarbe glich. Das Ausserordentliche an diesem Stücke war, dass man die purpurroten Flecken, mit denen das Tier im Leben spielt und die im Tod verbleichen, sowie die grüne Iris seiner grossen Augen im Stein erhalten sah. Doch schwankte ich, ob ihm nicht noch der Panzer eines Krokodiles vorzuziehen wäre, der in bleichgrünem Jade verteinert war. So kunstvoll war die Petrifikation gelungen, dass jedes Plättchen wie in Scharnieren spielte und dass ein solbernes Geläut erklang, wenn man den Panzer hob.

Unschlüssig stand ich vor der Wahl, da weckte mich die Kälte auf. Und als ich wie Aschenbrödel, das vom Balle kommt, vor meinem Ofen sass, da sagte ich mir: "Solche Feste feierst du Nacht für Nacht, und nur zuweilen lässt ein plötzliches Erwachen dich einen Einblick tun." Auch sagte ich mir: "Unser Reichtum ist ungeheuer, da er in den Atomen wohnt. Wir steigen wie durch Schächte in unsere Tiefe, unsere Minengänge ein."

(Bild: Seelilie, Crinoidea)

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