Monday, July 13, 2009

Lintgen, 23. Mai 1949

Abmarsch wie gewöhnlich. Beim Verladen der Waffen schnappte ich die Antwort eines Unteroffiziers auf, dem ein Fahrer widersprach:
"Es wäre mir lieber - - - -"
"Halten Sie den Mund! Lieber wäre es mir, wen ich hier eine Badeanstalt hätte."

Bei Echternach über die luxemburgische Grenze, deren Überschreiten ich mit einem "Ran wecke!" markieren liess. Das erste Haus an der Grenze war durch die Sprengung des Brückenhindernisses zerstört. Vor den Fenstern hingen die Jalousien herab. Hinter dem sehr sauberen Ort an der Strasse wieder einige Trichter; hier hatte man wohl eine Sperre gesprengt. Durch Altrier. Mittagsrast in einem kleinen Hofe, dort Unterhaltung mit dem Besitzer, einem Jagdhüter. Es fiel mir an diesem Manne, wie an den meisten Luxemburgern, die gewählte Sprache auf. Das liegt wohl daran, dass, statt wie gewöhnlich Luxemburger Platt, bei solchen Begegnungen Hochdeutsch nach dem Buche gesprochen wird. Auf diese Weise gewinnt man den Eindruck, dass der Rede Überlegung und sorgfältiges Bemühen vorangegangen sind - und entsprechend, dass sie an aufmerksame, nachdenkende Wesen gerichtet ist.

Starker Marsch nach Lintgen, dort bei einem Bäcker im Quartier. Der Ort war überfüllt von Soldaten und Flüchtlingen. Auch bei meinem Bäckermeister traf ich vertriebene Luxemburger an. So unterhielt ich mich beim Abendessen mit einer fünfzigjährigen Frau, die , wenn ich den Namen recht verstand, in Düttweiler gewohnt hatte, wo der Vormarsch auf die französische Grenze gestossen war. Sie hatte sich bei den Gefechten, die dort entstanden waren, in den Keller begeben und darin ein paar Tage verbrachte, während Granaten ihren Garten verwüsteten. Eine von ihnen riss den Erker ihres Hauses ein, eine andere fällte den alten Apfelbaum. Splitter durchsiebten das Dach, die Hühner lagen mit abgeschlagenen Köpfen im Hof, die Schweine entliefen aus dem zerstörten Stall; das Bett, das sie im Keller aufgestellt hatte, wackelte. Dies alles erzählte die derbe Person, die sich derlei gewiss selbst in ihren tiefsten Träumen niemals hatte einfallen lassen, mit Heiterkeit, fast lachend, oder vielmehr mit einer starken inneren Fröhlichkeit, die mich lebhaft ergriff. Übrigens hatte sie noch bleiben wollen, wir hatten indessen den Ort geräumt.

Auf dem Marsch erfuhr ich durch Urlauber, dass die Werke von Missburg, ganz nahe bei Kirchhorst, durch Bomben getroffen sind. Ich dachte dabei an Perpetua, die Kinder, meine Sammlungen und Manuskripte, die dort unter dem Dachboden lagern, ohne dass ich der Lampe Nigromontans schon würdig bin. Das ist in der Tat der totale Krieg, während dessen man an jedem Punkt der Existenz gefährdet ist.

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