Wednesday, July 8, 2009

Idar, 19. Mai 1940


Wecken um Mitternacht. Der Pfarrer empfing uns noch zu einer Tasse Kaffee in seinem Studierzimmer, in dem er die Predigt für den Sonntag vorbereitete. Da ich in den letzten Monaten viel in Pfarrhäusern lebte, gewann ich ein Organ für den atmosphärischen Unterschied in den evangelischen und den katholischen. Dergleichen lernt man nicht aus Geschichtsbüchern. Bei den Protestanten hat man auch das Gefühl von kleinsten Teilchen, die durch eine magnetische Anstrengung in der Schwebe gehalten sind. Es ist auch der Unterschied von alter und Leistungsaristokratie. Gedanken über das Unvermeidliche der Reformation. Man muss sich bemühen, das in der Einheit zu begreifen - so wie bei einem Wagen, wenn die Steigung wächst, ein zweiter Gang zur Wirkung zu bringen ist. Der Antrieb wird ethischer. Nichts spricht dagegen, dass es im weiteren Verlaufe zu einer Kirche kommt, zur Organisation der Christenheit.

Marsch über Wolfstein, Oberjeckenbach und den Truppenübungsplatz Baumholder mit seinen ausgestorbenen Siedlungen, dann über Bollenbach bis Idar-Oberstein. Hier sollten wir zunächst bei Tiefenstein biwakieren, wurden nachmittags aber im Städtchen einquartiert. Beim Abmarsch traf eines der Pferde den Leutnant Wanckel mit dem Huf in die Leistengegend; wir mussten ihn forttragen.

Wir kamen oben auf dem Berg bei einem Fabrikanten unter, der sich als heilkundig erwies und mir gegen meinen Katarrh einen guten Umschlag bereitete. Beim Abendessen Unterhaltung über Halbedelsteine, deren Handel und Verarbeitung am Orte blühen. Bereits die Römer unterhielten hier Achatgruben, und wie unser Quartierwirt sagte, bewahrten sich in Idar römische Familiennamen aus jeder Zeit. In der Tat sah ich beim Einrücken das Firmenschild eines gewissen Cäsar, der zum Überfluss noch den Vornamen Julius trug.

(Bild: Wappen Idar-Oberstein, Rose-Forsthaken-Eichel)

No comments: