Tuesday, July 21, 2009

Bucy-les-Pierreponts, 29. Mai 1940

Früh Abmarsch, nach kaum fünf Stunden Ruhe, die wie gewöhnlich noch durch Befehlsempfang, Essensausgabe und mancherlei Geschäfte auf die Hälfte verkürzt wurden. Dazu legten wir heute wieder eine tüchtige Strecke zurück, so dass wie eigentlich neuzig Kilometer mit längerer Pause geschafft haben.

Durch Porcien, Wadimont, Fraillicourt. Das ist die Gegend in der ich 1915 lag, mit ihren Häsern aus weissem Kreidestein, der an den Fenstern und Türen oft von weichen roten Ziegelsäumen sehr schön gerandet ist. Unter dem im Lauf der Jahre verwaschenen Bewurf der Mauern erschienen Wegweiser und Inschriften aus unserer damaligen Besatzungszeit. Ich hatte ein seltsames Gefühl dabei - als ob sie unter Röntgenstrahlen aufleuchteten.

Gleich im ersten Orte, Adon, frische Gräber am Dorfplatz, wo vorgestern eine Feldküche bei Licht Essen ausgab und dabei einem Flieger Gelegenheit zum Abwurf bot. Zweihundertdreissig Tote. Uniformfetzen lagen noch umher.

Der Marsch war anstrengend; die Leute hielten sich gut. Andere mögen im Gefechte dasselbe leisten - doch wie sie nach schwerem Marsch, unausgeruht, ohne ein Wort des Widerspruches, ja selbst der Enttäuschung, den Befehl zum neuen Aufbruch entgegennehmen, das ist ausserordentlich. Schweigend und sehr bescheiden marschieren sie bis an die Grenzen menschlicher Kraft.

Nachmittags in Bucy-les-Pierreponts, einem der typischen Kreidennester, an dessen einzigem erhaltenem Brunnen die Köche und Fahrer viele Stunden nach Wasser anstanden. Auf dem Dorfplatz zwei Kampfwagen, ein kleiner deutscher und ein schwerer französischer mit Namen "Athos", wohl durch einen Leser der "Drei Musketiere" getauft. Ich kroch hinein und musste, wie immer, feststellen, dass mit in diesen Dingern, in denen es nach Öl, Benzin und Gummi riecht, nicht wohl zumute ist.

Spaziergang in den Gärten, in denen sich Hühner, Kaninchen, Schweine tummelten. Auch Kadaver lagen auf den Beeten verstreut. Ich ass dort junge Erbsen und Wurzeln und zog auch Radieschen aus. Wieder fielen ein paar Pferde aus. Ich liess deshalb einen weiteren Wagen zurück.

Am Abend kamen über tausend gefangene Franzosen durch den Ort. Ich unterhielt mich mit einigen; sie erzählten, dass der Krieg für sie zehn Minuten gedauert habe, während derer sie, wie ein Elsässer sagte, von einem deutschen Panzerregiment "fertiggemacht" wurden.

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