Saturday, December 13, 2008

Schilfhütte, 22. Februar 1940


Gestern, in der Nacht vor der Ablösung, lag das erste Feuer auf dem Abschnitt. Ich hörte im Halbschlaf zunächst vereinzelte Schüsse und Feuerstösse, die mir verdächtig nah erschienen, erfuhr dann aber auf Anruf bei den Zugführern, dass es sich um Störfeuer im Greffernbogen handelte.

Gleich darauf meldete mir der Führer des grossen Werkes "Elefant", dass er beschossen werde, und bat um Feuererlaubnis, die ich erteilte und auf hundert Schuss festsetzte. Damit ging das Konzert im ganzen Abschnitt los, das ich erst träumend und dann immer wacher verfolgte, bis es mir an der Zeit schien, aus dem Pyjama zu schlüpfen und vom warmen Lager aufzustehen. Kaum war ich angezogen, als das Telefon von neuem klingelte und vom linken Zuge gemeldet wurde, dass der Schütze Walter im Stand 3 a durch Kopfschuss verwundet sei.

Eilig machte ich mich mit dem Kompanietruppenführer und einem Krankenträger auf den Weg. Die Nacht war mondhell und die weithin überschwemmte Niederung mit weissem, gangbarem Eis überfroren, das hell im Lichte lag. Vorn am Hochwasserdamm sah ich die Mündungsfeuer der Werke flackern und hörte auch von drüben den scharfen Abschussknall. Vor allem erstaunte mich, dass ein Garbe von ganz rechts den Damm flankierte und mit Leuchtspurbahnen in der Nähe des Werkes "Alkazar" niederging. Ich sah daraus, dass die Franzosen den Abschnitt sehr gut  studiert hatten. Das ist eine Art der Aufmerksamkeit, die erst am Ergebnis sichtbar wird.

Im Zugbunker "Limburg" traf ich den Verletzten, der schon verbunden war, auf einer Pritsche liegend an. Der Verband war durchgeschlagen und der Feldrock blutüberschwemmt. Vom Arm zog sich ein zweiter Blutstrom bis zu den Stiefeln hin. So lag er, wie aus der Färberöte gezogen, als Schreckensbild, still an die Wand gekehrt. Ich liess ihn nicht stören, bis der Krankenwagen kam. Am Morgen hörte ich dann von dem Arzt, der ihn verbunden hatte, dass Aussicht auf Heilung ist. Der grosse Blutverlust kam daher, dass die Temporalis durchgeschlagen war.

Ich liess die Stelle, von der aus der Schütze verwundet worden war, mit Feuer belegen und ging dann die Werke ab, in denen ich die Mannschaft recht brav an ihren Waffen sitzen sah. Nachdem ich noch die Meldung erstattet hatte, suchte ich gegen vier Uhr wieder die Hütte auf.

(Bild: Arteria temporalis superficialis und Verzweigungen)

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