Friday, December 12, 2008

Schilfhütte, 15. Februar 1940

An der Wand der Schilfhütte, neben dem Ofen, während ich das Meldebuch durchsehe; ein graues Gebilde von der Glätte der Eselshaut, bestehend aus einem Schlangenhalse, der sich an seinem abgeschnittenen Ende bugartig wölbt, und einem Schlangenkopf, der oberhalb der spitz bewehrten Kiefer in einen Menschenschädel übergeht. Es ist im Nackenansatz durch einen starken Nagel halb an die Wand geheftet, halb wie durch eine Zwinge angeklemmt. Vom Halse spielt, wie auch vom Kinn, ein Flossensaum hernieder; man ahnt, dass diesen Hals ein sonderbarer und unbekannter Leib getragen hat.

Da ich derartiges noch nie so nah, so deutlich und so wach gesehen habe, zeichne ich es sogleich mit kurzen Strichen auf einen Meldeblock, der mir zu Händen liegt, und stosse dabei auf feine, sinvolle Einzelheiten in der Anatomie, die sich dem ungeübten Stift entziehen. Auch fallen mir Züge des Leidens auf - mechanisch, stumpf und tief in sich verloren, wie sie solchen Wesen eigen sind.

Dann trete ich darauf zu, und alles verwandelt sich in einen Lappen aus grauer Wolle, der zum Putzen der Schüssel neben dem Ofen am Nagel hängt.

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