Tuesday, January 6, 2009

Friedrichstal, 10. Mai 1940


In der Nacht Träume von Geschwadern, die über das Haus hinwegzogen. Am Morgen, auf dem Schiesstand, erfuhr ich dann, dass es wirklich in der Luft so rege gewesen war. Es handelte sich um die Transporte nach Holland und Belgien. Damit tritt wohl der Krieg in seine Krisis ein, ohne dass sich indessen seine Dauer schon schätzen lässt.

Am Nachmittag ritten wir mit dem Oberst lange durch die schönen Wälder und machten abends in Graben zum Spargelessen Rast. Während des Rittes kamen verschiedentlich Offiziere und Ordonnanzen auf Motorrädern mit Meldeungen - durch eine von ihnen wurde der Urlaub gesperrt. Wir ind jetzt auf Abruf gestellt.

Nur ungern scheiden wir von Friedrichstal, mit dessen Bewohnern wir uns recht befreundeten. Ihre Herkunft führt sich auf Hugenotten von Wallonenblut zurück, mit Namen wie Lacroix, Borel, Gorenflo - entstanden aus coeur-enfleurs. Sie brachten um 1720 die Kenntnis des Tabakanbaues mit und beliefern heute ganz Baden mit jungen Pflanzen, deren Beete man überall im Ort unter Rahmen von Ölpapier erblickt. So ziehen sie aus ihrer Erde zehnfachen Gewinn. Freilich erfordert dieser Anbau auch viel Sorgfalt und Mühe, und wie ein Sprichwort dieser Gegend sagt, kommen die Friedrichstaler nur kniend und einzig mit dem Kopf im Bett zum Schlaf.

Dafür sind sie vermögender, heiterer, stets zum Vergnügen bereit und lassn gern etwas draufgehen.

(Bild: Friedrichstal um 1900)

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