Sunday, August 9, 2009

Laon, 7. Juni 1940


Über Nacht noch in Toulis, wohl wegen des Wiederstandes, den der Angriff vor unserem Abschnitt gefunden hat. Der Franzose verteidigt sich auf den Höhen am Aisne-Oise-Kanal, und innerhalb der Nachmittagsstunden des gestrigen Tages gelang es der 25. Division, in die Waldstücke südlich Sancy vorzustossen. Unsere 96. Division bleibt vorerst in ihrem Raume, kann aber stündlich antreten.

Gegen Mittag Abmarsch nach Laon, das weithin von seinem Berge sichtbar ist. Die Stadt, in der ich schon 1917 weilte, lebt mir als vorgeschobene romanische Kernzitadelle in der Erinnerung, und ich glaube nicht, dass mein Gefühl mich trügt. Man spürt die Witterung, die um uralte Heiligtümer webt.

Am Wege wieder tote Pferde, davon zwei auf dem Grundwasser eines riesigen Granatentrichters treibend, auch zerschossene Tanks. Starke Zertrümmerungen an den Ortseingängen und in den Vorstädten: Barrikadenlandschaften.

Glühende Hitze, auch in der Stadt. Ich liess die Gewehre zusammensetzen und sandte Quartiermacher in das uns zugeteilte Viertel aus. Während ich in dieser Pause mit Spinelli in bequemen Rasierstühlen sass, die wir aus dem Laden eines Coiffeurs auf die Strasse geholt hatten, fuhr der General vorbei und rief mir zu, dass Soissons heute erobert, der Aisnekanal an drei Stellen überschritten sei.

Quartiere am Stadtrand; ich zog mit den beiden Offizieren in eine Villa mit grossem Garten und geräumiger Terrasse ein. Da die Keller zum Teil noch trächtig sind, entsandte ich ein Fahrzeug, das bald mit Rotwein in Flaschen und Fässern wiederkam. Zu solchen Geschäften muss man findige Köpfe wählen, die sich auch bald herausstellen. Die anderen kommen mit Essig, vinaigre, statt Wein und bringen Dosen voll Farben statt Konserven mit. Dann liess ich ein Rind schlachten, da das gelieferte Fleisch anrüchig war. Ich bezeichnete es unter einer grossen Herde, die in den Gärten weidete, von der Terrasse aus. Seit Olims Zeiten zählt zu den Zeichen des frischen Siegers der Überfluss an Fleisch.

Ein grosser Teil der Kompanie hat sich mit Rädern ausgerüstet, unter denen man auch Tandems, Damenräder und kleine Motorräder sieht. Dem Oberst ist das, ebenso wie die Verzierung der Farzeuge mit grotesken Symbolen, ein Greuel. Er stellte sich bei einem Brunnen geschickt auf Anstand und sperrte einen Mann, der neben der Kolonne im Tropenhelm marschierte, vom Fleck weg ein.

Diese Zeilen schreibe ich, nachdem wir uns im Badezimmer mit Wasser hatten übergiessen lassen, auf der Terrasse sitzend und Liköre wie Cointreau und Fine Champagne kostend, die wir in der Hausbar vorfanden. Aus der Entfernung eines kleinen Marsches, vom Chemin des Dames, tönt das Spiel der Artillerien zu uns herüber: in einer langsamen Häufung von Einschlägen, stürzenden Gebirgen gleich. Sie spinnen sich in fürchterlicher Unterhaltung fort. Wenn man sie hört, wie ich sie heute höre, dann weiss man, dass es zwischen Menschen, und wenn sie mit Engelszungen reden würden, eine Grenze des Wortes gibt. Dann erheben sich diese Stimmen aus Erz und Feuer, die auf die Furcht berechnet sind - und wirklich, die Herzen werden bis auf den Grund geprüft.

(Bild: Gefallener deutscher MG-Schütze, Westfront, 1. Weltkrieg)

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